Jagged Alliance Flashback

Die bisher letzte Hoffnung für ein neues Spiel, das an Jagged Alliance 2 anknüpfen kann, ist Jagged Alliance Flashback. Die Hoffnung besteht, weil diesmal nicht ein Publisher sich die Rechte des Namens gesichert hat und dann irgend etwas herausbrachte, was dann aber doch im Endeffekt nichts mit Jagged Alliance 2 zu tun hat, außer dass es auch Söldner sind, die sektorweise irgendein Gebiet räumen müssen oder im Falle von JA Online es rundenbasiert ist.

Flashback wird von der Firma Full Control entwickelt, einer kleinen dänischen Softwareschmiede, die vor allem als Produzent von Spielen in Erscheinung trat, aber nicht unter eigenem Namen Spiele produziert, also eher ein Entwicklungsstudio. Das man diesmal etwas mehr auf die Wünsche der Community hört, dürfte am Finanzierungsmodell liegen. Die Firma hat die benötigten 350.000 Dollar durch ein Kickstarterprojekt zusammenbekommen  Am 10.6.2013, dem vorläufigen Ende der Kickstarter Kampagne  sind es 388.000 Dollar, nachdem schon am 24.5.2013 schon 368.114 Dollar erreicht wurden, scheint nun der Andrang nachzulassen, obwohl es auch danach noch möglich ist, zu spenden und ab 25 Dollar (rund 20 Euro) bekommt man dann auch eine DRM-freie Kopie des Spiels. Mit mehr Geldern sollen weitere Features Einzug halten. (Siehe Homepage).

Die Entwicklung wird natürlich dadurch erst im Juni 2013 beginnen. Als vorläufigen Releasetermin gab Full Control den November 2014 an.  Zu diesem Zeitpunkt gab es dann auch eine Pre-Release. Diese konnte den Autor zunächst nicht so vom Hocker reisen. Im Shop gab es nur Waffen ohne Beschreibung und es erschien mir sauschwer. Vor allem aber ließen sich die Gegner viel Zeit beim überlegen, was den Spielfluss doch etwas hemmt. Dies ist unabhängig von der Grafikhardware, wie andere Tester berichteten die anders als der Autor eine teure Oberklasse.Grafikkarte besitzen.

Es wurde nachgebessert und was herausgekommen ist würde ich als "Ja 2 Light" bezeichnen. Man hat das Spielkonzept im Großen und Ganzen übernommen aber in vielem wurde abgespeckt. Ziel ist es wie gehabt eine Insel (San Hermandos) von einem Prinzen zu befreien, indem man sie sektorweise säubert. Es gibt Nebenquests und es gibt Gegenangriffe. Die Insel ist aber kleiner als Arulco und so ist es auch schneller durchgespielt. In vielem ist die Auswahl kleiner - es gibt weniger Söldner, weniger Waffen, nur mehr Gegenstände, die nichts mit Rüstung und Waffen zu tun haben. Die Stimmen der Söldner wurden von Ja 2 (US-Version) übernommen, alle anderen Personen unterhalten sich aber nur durch Textblasen, wie es die in Ja 2 zusätzlich gab. Dies ist verkraftbar. Die Söldner sehen leider alle in etwa gleich aus. Zudem gibt es nur wenige Äußerungen der Söldner, Ja 2 bot hier etwas mehr. Nicht überall wurden die Dialoge eingedeutscht, doch wer des Englischen mächtig ist kommt durch.

Einen Riesenschritt tat die Grafik, die nun auch eine frei wählbare Perspektive bietet. Da allerdings nun auch hohe Bäume die Sicht versperren, bevorzuge ich das Herauszoomen über das Mausrad, auch wenn dann das Zielen in der Vogelperspektive (vergleichbar der Sicht bei JA 1) etwas schwieriger ist. Das Durchkämen der Sektoren ist nun einfacher, da interessante Leute, mit denen man reden sollte, eine Sprechblase über dem Kopf haben. So viele Schränke zum Durchsuchen gibt es auch nicht, zumindest Schränke, bei denen man auch etwas findet, denn dort wird der Mauscursor beim Überqueren zur Hand. Die anderen kann man nicht mal anklicken.

Man ist beschränkter in allem. So kann man nicht einfach drauflos ballern oder Granaten werfen (auch wenn der Tooltipp das suggeriert) nur in einem Kampf geht das. Es gibt weniger Waffen (z.B. keine Granatwerfer und Panzerfäuste), weniger Quests, weniger Söldner (davon viele nicht erreichbar) alles - in allem eben eine Nummer kleiner.

Es gibt einiges, was ich deutlich besser als bei Ja 2 finde:

  • Die Feinde sind intelligenter und laufen nicht einfach ins Feuer hinein. Sie konzentrieren ihr Feuer auch auf einen MERC, meistens der, den der Feind als Erstes oder am nächsten ist sieht und oft sieht man die Feinde nicht, weil nur einer als Kundschafter vorne ist und die anderen hinten sind.

  • Bei den MERC gibt es einen dezidierten Störmodus, in den man Feinde hereinlaufen lassen kann. Ob er den Feind unterbricht, hängt aber stark von den Aktvitätspunkten ab.

  • Bei den Waffen sieht man detaillierter wie der Schaden und die Treffergenauigkeit mit der Reichweite abnehmen. Zudem ist das Zubehör wieder entfernbar, bei JA 2 waren Bolzen und Feder und die Laufverlängerung fest montiert.

  • Die Heilung geht schneller.

  • Es gibt Wetter. Das beeinflusst die Sicht.

  • Söldner erreichen beim Aufstieg neue Eigenschaften oder zusätzliche AP.

Einiges ist auch schlecht gelöst.

  • So gibt es recht wenige Söldner, die gute Mediziner oder Handwerker sind. Die braucht man aber in jedem Trupp. Daneben gibt es wenige wirklich gute Söldner mit vielen AP, die braucht man aber für zwei Schüsse mit einem Scharfschützengewehr oder eine MG-Garbe. Am Preis des Söldners kann man nicht mehr so stark die Fähigkeiten festmachen. Während bei Ja 2 der teuerste Söldner das zehnfach des billigsten kostete, ist hier die Spanne nur der Faktor 2.
  • Das Reparieren dauert ewig uns selbst das bei guten Söldnern. Die Repairkits verbrauchen sich schnell und es gibt nur eine Stelle, wo es neue gibt.
  • Während man bei Ja 2 bald in Ausrüstung schwamm, vor allem, wenn man aktivierte "Gegner lassen alles fallen" ist hier die Ausrüstung knapp. Vor allem Munition für die Waffen mit hoher Riechweite (5,45 x 51 NATO und 5,56 x 39 WP) werden im späteren Spielverlauf knapp. Ich musste schließlich einen Trupp zu den beiden Händlern gehen lassen, um die Muni zu besorgen und die andern beiden Trupps zu versorgen. Sonst haben auch diese nur kleine Vorräte.
  • Lehren als Fähigkeit spielt keine Rolle mehr, so gibt es auch keine Einschränkung beim Ausbilden von Milizen oder dem Ansprechen von Personen. Das finde ich ist etwas unrealsitisch.
  • Mir fehlt ein Trainingsmodus, der wäre mir lieber als das Aufsteigen. Zudem ist es so, dass gute Schützen wahnsinnig schnell aufsteigen, weil sie mehr feuern können und besser treffen. So ist ein Söldner bei mir bei Stufe 11, der Doktor, der nur einen Schuss pro Runde (bei 18 AP) abfeuern kann, aber nur bei 4. Ein Trainieren von Fähigkeiten würde auch helfen, den Mangel an medizinischen oder handwerklich begabten Söldnern auszugleichen.
  • Die Steuerung ist für mich etwas träge. Manchmal stimmt auch der Cursor nicht. Die träge Steuerung und langen Nachdenkzeiten wirken sich auch aus, wenn man kämpft. So will man, wenn ein Kampf beginnt, zuerst alle Söldner knien lassen, damit sie keine so großen Ziele sind, beim Aufziehen hat man aber im Nu viel zu viel aufgezogen und bevor man das bestätigen kann, ist der Gegner da. Immerhin: Das Spiel läuft immerhin weiter, wenn es den Fokus verliert. Man kann also beim Feindzug auf was anderes wechseln. Allerdings gehen nur Dinge nebenher die wenig CPU-Power beanspruchen. Bei mir läuft ein CPU-Kern mit Turbo (iCore I4-4790 mit 3,9 GHZ) und trotzdem reagiert das System träge, wahrscheinlich, weil die eingebaute GPU am Anschlag ist. Immerhin läuft es in Full-HD ohne eigene Grafikkarte. Die langen Nachdenkzeiten bei Feindzügen bemängelten auch andere Tester mit Hochleistungsgrafikkarten, dafür ist also nicht die Intel HD 4600 Grafik verantwortlich.
  • Es gibt einige Bugs: So muss man eine Bande bekämpfen, und als ich das tat und mich zum Auftraggeber zurückbewegte bekam ich die Antwort als wäre nichts geschehen. Zudem gibt es oben links die Meldungen, was man noch alles tun muss (ein Logbuch wie bei Ja 2 wäre besser gewesen und blockiert keinen Platz). Ich bekam es irgendwie hin, diese auszublenden. Seitdem ziert ein Ausrufezeichen diesen Platz, ich kann sie aber nicht wieder aktivieren, indem ich auf das Ausrufezeichen klicke.
  • Wenn man bestimmte Sektoren erobert dann versucht der Gegner diese dauernd rückzuerobern. Bei Ja 2 gab es einen Angriff, nach einigen Tagen einen zweiten und noch später einen dritten, dann hatte man Ruhe, hier gibt es täglich oder sogar stündlich einen Angriff. Man braucht alleine schon deswegen mehrere Trupps weil man sonst alle schon gewonnenen Sektoren verliert. Immerhin gilt das nur für die letzten eroberten Sektoren, arbeitet man sich also nach unten vor, so sind wenigstens die oberen sicher.

Tipps

Mit STRG-S kann man einen Quicksave Spielstand im Kampf generieren. Dieser wird mit Sektorbezeichnung gespeichert, so kann man davon mehrere aktiv haben.

Die Gegenangriffe auf gerade eroberte Sektoren in denen man Milizen ausbilden kann werden beim späteren Spielverlauf nervig. Es empfiehlt sich dann zwei Trupps zu haben: einer bildet aus, der andere ist an der Straßenkreuzung vor dem Sektor platziert und fängt die Gegner ab.,

Fazit

In der Summe finde ich Flashback gelungen, wenn man die Erwartungen realistisch ansetzt: eine kleine Softwareschmiede kann für ein Spiel, das 20 Euro kostet, in einem Jahr nicht einen Nachfolger kreieren, der Ja 2 ersetzen kann. Ja, vieles fehlt. Manches vermisse ich nicht, zum Beispiel will ich nicht laufend meine Waffen umrüsten. Das wurde ja in allen Mods von Ja 2 noch ausgebaut. Einige Standardwaffen und mehr Konzentration aufs Gameplay finde ich durchaus besser. In anderen Teilen finde ich es nicht ganz so balanciert, aber es hat anders als Back to Action oder Jagged Alliance Online das Gameplay des Originals und das Feeling. Was definitiv fehlt, ist der Spielwitz. Aber ehrlich gesagt, wenn man die Kommentare ein paar Mal gehört hat, nimmt man die auch nicht mehr wahr.

Die meisten Kommentare im Steam-Forum sind negativer als mein Eindruck. Vielleicht bin ich zu wenig anspruchsvoll, vielleicht erwarten aber die anderen auch eine Kopie von Ja 2 und das leistet Flashback nicht. Es bietet zumindest mehr Spielspaß über eine längere Zeit als Unfinished Business und das wurde für mehr Geld als Flashback verkauft.

Wie allen Publishern brachte auch Flashback der Softwareschmiede Full Control kein Glück. Kurz nach Fertigstellung musste die Firma Konkurs anmelden. Die Rechte an dem Namen „Jagged Alliance“ sind nun weitergewandert zu Nordic Games. Mal sehen, ob daraus noch ein neues Spiel wird.

Wer bei Kickstarter mehr ausgegeben hat für eine physikalische Kopie des Spiels und Accessoires, der ging durch den Konkurs leer aus. Wer nur die digitale Kopie haben wollte, wie dies bei den geringen Beiträgen der Fall war, der bekam noch vor dem Bankrott einen Zugang für Steam und eine herunterladbare Kopie bei Humble (inklusive der alten Sir-Tech Veröffentlichungen von Ja 1 bis Unfinished Business).